Von Christian erhielt ich heute folgende Mail:
„Vom 21. bis 24. Februar war ich erstmalig in Helsinki. War im Vorfeld mein Freundes- und Bekanntenkreis noch sehr interessiert am meinem Helsinki-Trip, erntete ich bei Erläuterung meines Vorhabens doch eher Kopfschütteln. Doch kurz zur Vorgeschichte: Bereits im vergangenen Jahr nahm ich am 24 Stunden-Hallenlauf in Aarhus (DK) teil und fand Gefallen an der Indoor-Veranstaltung. Wetterunabhängig, nahe Wege zu Toiletten und Waschräumen fand ich sehr positiv. Zudem ergab sich durch die kurze Runde noch mehr Kontakte zu meinen Mitläufern. Mit dem Hallenboden, der kurzen Runde und dem Kurvenlaufen kam ich damals sehr gut zurecht. Beim Stöbern auf der DUV-Veranstaltungsseite stieß ich dann im vergangenen Frühjahr auf den Hallenlauf in Helsinki und fügte die Homepage zu meinen Favoriten. Das Anmeldefenster öffnete sich im September und mit 120 EURO war ich auf der Teilnehmerliste. Da mich Helsinki im Winter nicht so reizte, plante ich für meinen Aufenthalt in Helsinki eine Nacht vor und eine Nacht nach dem Lauf ein.
Zwar sollte der Lauf etwas Besonderes sein, einen Saisonhöhepunkt mit zielgerichteten Training stellte er dennoch nicht für mich da. Das reduzierte Training in der Vorwoche sowie in der Woche danach nahm ich in Kauf. Zudem erhoffte ich mir eine erste erfolgreiche Belastungsprobe für mein Saisonziel 2014 (Spartathlon). Ich hatte die Absicht die komplette Zeit aktiv zu sein. Die Kilometer waren zweitrangig bzw. bei Gelingen sollte die Kilometerleistung zwangsläufig zufriedenstellend sein.
Am Veranstaltungstag (Samstag) verließ ich spät mein Hotel um ca 1 Stunde vor dem Start meine Startnummer abzuholen. Und schon die erste Überraschung. Anders als gedacht fand der Lauf nicht in einer Leichtathletikhalle sondern in einem Sport- und Spielcenter statt. Im Erdgeschoss gab es einige Hockeyfelder sowie ein Spielareal für Kinder. Darüber ein Fitnesscenter und ein Restaurant. Auf dieser Ebene befand sich auch die Laufbahn (Innenbahn = 390,04M). Ärgerlicherweise konnte ich keinen Tisch mehr ergattern, aber ich fand noch eine Bank. Da ich außer Salzkapseln und Ultra-Buffer keine weitere Eigenverpflegung dabei hatte, war dies nicht weiter tragisch. Kurz vor 12 ein kurzes Briefing auf Englisch. Mit Niels Henriksen (DK) traf ich einen alten Bekannten und Leidensgenossen (er ist ebenfalls HSV-Anhänger). Noch ein paar Worte gewechselt und dann gings auf die Rundreise. Am Start waren 26 Frauen sowie 90 Männer. Nach den Einheimischen stellten die Schweden die größte Fraktion. Ansonsten einige Esten, Dänen, eine Handvoll Japaner und mit Gerhard Dahmen und Horst Preisler zwei weitere Deutsche.
Ich nahm mir vor alle drei Stunden eine 10 minütige Pause zu machen, alle fünf Runden zu trinken bzw. alle 10 Runden etwas zu essen. Nach 6 Stunden und 57 KM das erste Highlight: Richtungswechsel! Kurz danach während meiner 10 Minuten-Pause das nächste Highlight: Auf dem Handy las ich die gute Nachricht vom HSV-Sieg (3:0 gegen Dortmund). Beschwingt gings weiter. Lief ich die Runden bis zum Richtungswechsel noch unter 2:20min, lagen die Rundenzeiten nun etwas drüber. Nach 9 Stunden wieder eine kurze Pause, die Urgestein Horst Preisler für die Frage nutzte. „Wo kommt Mohr denn her?“ Horst machte keinen guten Eindruck und war überhaupt nur gehend auf der Strecke. Ganz nebenbei: Gestern beim Marathon in Öjendorf konnte er sich nicht mehr an mich erinnern.
Nach 10 Stunden änderte ich meine Strategie und ging jede fünfte Runde. So konnte ich in Ruhe gehend trinken und essen. Diese kurze Erholung tat mir gut und ich lief weiter sehr flüssig. Nach dem zweiten Richtungswechsel um Mitternacht beschloß ich meine Schuhe und Kleidung zu wechseln. 108 KM hatte ich inzwischen erlaufen und nahm mir als Endergebnis 180 KM vor.
Immer wieder munterten wir uns gegenseitig auf, einige meiner Mitstreiter demonstrierten ihre Deutschkenntnisse. „Wie geht’s Mohr“ „Alles klar Mohr“ hörte ich immer wieder. Dank Torrill Fonn (Swe und großartige Zweite), Johnny Hällneby (Swe, „It’s my day“, 219KM) und dem Ehepaar Liukka (Fin) ging die zweite Hälfte doch leichter vorbei. Am besten gefiel mir natürlich die Einschätzung eines weiteren schwedischen Läufers: „Weltklasse-Mohr“. Naja, morgens um Fünf ging es mir nicht mehr so weltklasse. Mangels Frischluft fielen mir fast die Augen zu und ich nahm eine Auszeit von 30 Minuten. Rechtzeitig zum letzten Richtungswechsel war ich wieder auf der Strecke, aber ich hatte nun doch gut mit der stickigen Luft zu kämpfen und der harte Boden gefiel meinen Knien auch nicht mehr. So beschloß ich nach einer weiteren 45Minuten-Pause um 7Uhr nur noch jede fünfte Runde zu laufen. Zu wenig um die 180KM zu schaffen, aber ich dachte auch an die kommenden Trainingswochen.
Die letzten Stunden zogen sich natürlich, doch je näher wir der Schlusssirene kamen, desto lauter wurde es in der Halle. Durch die Anfeuerungen beflügelt ging ich auf den letzten 10 Minuten zum Laufschritt über. Was für eine Stimmung, wenn es an den Verpflegungstischen vorbei ging. Auch die Helfer machten kräftig Lärm. Ich hörte nichts, doch die Läufer vor mir blieben stehen. Ich dann auch. Den Holzblock mit meiner Nummer sowie den Chip hinterließ ich für die Restmeter-Vermessung.
Danach Umarmen, Beglückwünschen, Duschen, Siegerehrung …. Doch so richtig bekam ich das alles nicht mehr mit. Ich war einfach zu müde.
Fazit: Es reichte zu 176,91KM (Männer: Platz 21). Bis auf zwei, drei Blasen und müde Muskeln hielten sich die Nachwehen in Grenzen. Das Treppengehen (auf/ab) ging am Montag schon wieder ohne große Probleme. Über meine Entscheidungen während des Laufes bin ich zufrieden, so bin ich gut durch gekommen. Andere Läufer hatten doch mit Kreislaufproblemen zu kämpfen und mussten sich mehrmals übergeben. Neben der Laufleistung stehen nette Bekanntschaften und schöne Begegnungen auf der Habenseite.“
Herzlichen Glückwunsch!
Wolfgang