Ein Bericht von Martin R. Kurz, 25.2.2016
Nachdem ich 2010 mit Laufen begonnen hatte, merkte ich bald, dass Kurzdistanzen nichts für mich sind. So startete (und finishte) ich meinen ersten Marathon ein Jahr später. Es folgten bald noch mehr Marathonläufe und 2013 mein erster Versuch über Ultradistanz: Scenic 55 beim Mozart100 in Salzburg, meiner Wahlheimat. Auch hier gelang ein Finish und das Ziel der 100-km-Marke schien nicht mehr fern. Ein weiteres Jahr später sollte es geknackt werden – doch leider konnte ich am angemeldeten Scenic 100 wegen einer Verletzung nicht teilnehmen. Dafür war dann 2015, bei grausigen Wetterverhältnissen, endlich auch dieser Gipfel sehr mühsam, aber erfolgreich erklommen.
Im gleichen Sommer fand dann bald darauf im Berchtesgadener Land der Salomon 4Trail statt. Hier nahm ich dann aber nur am Schnuppertrail (also an der ersten Etappe) teil. Doch meine Begeisterung für ausgeprägte Berg- und Trailläufe war geweckt. Ein ganz anderes Laufen, ganz andere Landschaften und auch ganz andere Typen sind hier zu finden als bei „normalen“ Wettkämpfen.
Als „Auslandsdeutscher“ ohne Verein fand ich so Ende 2015 zur DUV und Anfang 2016 zur LG DUV. Ein bisschen im Veranstaltungskalender geschmökert und … genau das Richtige für mich gefunden! Jokertrail 2016 (3. Auflage) in Heidelberg! Auch hier war ich mal Zuhause, hier hatte ich studiert, geheiratet, die ersten Kinder bekommen und hier habe ich immer noch „alte“ Freunde.
Der Jokertrail, ein wirklicher Traillauf quer durch die Landschaft rund um Heidelberg. Aufi, obi, rundherum. Laut GPS-Daten 50,1 km und ca. 2300 HM. Eigentlich geht’s schon am Vorabend (Freitag) los. Michael Frenz hatte für die Teilnehmer das Hostel Lotte organisiert. Jugendhergergsartig konnte man hier bis Sonntag nächtigen und sich besser kennenlernen. Da ich mit Familie angereist war, war ich nur beim abendlichen Briefing und nach dem Lauf dort – die Idee des gemeinsamen Austausches rund um die Veranstaltung gefällt mir aber sehr gut!
Laufstart ist am Samstag pünktlich um 07:30 Uhr nach letzter kurzer Motivation von Michael. Wenige Meter durch die Altstadt zum Aufwärmen, Nieselregen begleitet uns. Schon geht’s Richtung Schloss. Schloss links liegen lassen und immer geradeaus die Himmelsleiter auf den Königstuhl. Mit der Höhe geht der Regen in Schneesturm über. Hätte ich meine Yaktrax doch nicht im Hotelzimmer zurück lassen sollen? Auf jeden Fall bin ich froh, die Stöcke dabei zu haben! Übers Felsenmeer leicht bergab und wieder aufwärts Richtung Hohler Kästenbaum. Das Läuferfeld entzerrt sich, es hatte sich gelohnt, schon mit dem GPS-Gerät geübt und bekannte Strecken abgelaufen zu haben. Markiert ist der Trail nicht, die Strecke muss mittels GPS-Koordinaten gefunden und erlaufen werden. Später, im Ziel soll dann mittels selbst aufgezeichneter Daten die korrekt gelaufene Strecke kontrolliert werden.
Inzwischen ist der Neckar in Sichtweite, ich schon ganz unten auf der Straße. Aber irgendetwas stimmt nicht! Falsch abgebogen! Wieder aufwärts (wohin denn sonst?), zurück auf den Pfad und höher! Aber trotzdem kommt man langsam Richtung Schlierbach, über den Neckar, schon ist man in Ziegelhausen und der VP1 (15 km) bei der Bäckerei Bernauer ist da. Heißer Tee, kalte Getränke, Salziges, Laugengebäck, Süßes und (mein Favorit) leckere, selbst gemachte Müslitaler! Nach kurzem Auftanken geht es wieder … aufwärts, zunächst durch Matsch, später durch Schnee. Das hat aber jetzt auch sein Gutes: Das Feld vor mir hat schon seine Spuren in den Schnee gestapft, der Weg ist einfach zu finden. Manchmal trennen sich die Spuren, Irrläufer, das GPS-Gerät betrachten, richtigen Weg finden, weiter geht’s. Seit einiger Zeit laufe ich schon gemeinsam mit Rainer Zeband, er hat die Koordinaten auf seiner Uhr. Wir bleiben zusammen und wir unterhalten uns immer wieder auf der Strecke. VP2 (24,5 km): tiefster Winter im Odenwald beim Langen Kirschbaum. Zeitlimit für Cutoff unterboten, die Namen werden abgefragt. Wieder kurze Verpflegung (diesmal nur kalt, aber wieder die genialen Müslitaler). Die Runde um Wilhelmsfeld beginnt wegen des Wetters ohne Abstecher auf den 41 Meter hohen Teltschikturm, aber weiterhin Schnee, Matsch, Schnee, noch mehr Matsch und … Schneematsch). Zwischendurch werden die Finger und Zehen eiskalt, doch zum Glück gibt es ja immer wieder Bergaufpassagen und Finger und Zehen werden warm, auch wenn die Füße eigentlich nie trocken sind (zur Erinnerung: Regen, Schnee, Matsch). VP3 nach 41 km ist wie VP2 wieder Langer Kirschbaum. Nochmals Namensabgleich, kurz auftanken, mein Laufpartner wechselt die Handschuhe, ich lasse alles wie es ist. Jetzt ist es nicht mehr weit, es geht hauptsächlich abwärts, leichte Steigungen sind aber dennoch dabei. Der Heiligenberg bleibt rechts liegen, am Waldrand gelangen wir auf den weltberühmten Philosophenweg. Von seiner Wärme und Schönheit ist heute nichts zu erkennen. Dafür ist das Ziel schon sichtbar. Nur noch den Pflastersteinweg zum Neckar hinablaufen, über die Alte Brücke, vorbei an der Heiliggeistkirche, über den Kornmarkt (war ich da nicht heute Morgen um 07:30 Uhr schon?) und das Ziel (Hostel Lotte) ist erreicht!
Fazit für mich:
Warum habe ich eigentlich immer das schlechteste Wetter beim Laufen (siehe Mozart100 letztes Jahr)??? Trotzdem war es ein wunderbares Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Eine gut ausgesuchte Strecke, die vom Organisator Michael Frenz selbst mehrmals abgelaufen wurde. Viele Trails, zum Teil Waldwege (zumindest breite Wege unter Schnee) und fast kein Asphalt. Ich hatte für mich die richtige Bekleidung gewählt (kurzes Laufshirt, darüber ein dünnes langes Laufshirt und dünne Regenjacke), naja, vielleicht wären dünne Fäustlinge über die normalen Handschuhe nicht schlecht gewesen. Ach ja: Zielzeit mit 08:01 innerhalb des Limits. Damit ein geniales Finishershirt und eine geniale Urkunde erhalten! Kein Teilnehmer ging verloren, auch wenn einige abbrechen mussten (76 Gemeldete, 67 Starter, 50 Finisher).
Ein Lauf zum Wiederlaufen, nächstes Mal vielleicht dann auch mit Nächtigung im Lotte – The Backpackers!
Ergänzung:
Ebenfalls am Start war LG DUV-Mitglied Thomas Klingenberger, der den Lauf überlegen gewann und trotz der widrigen Verhältnisse den Streckenrekord nur um 2 Minuten verfehlte!
Allen Finishern Respekt! Und herzliche Glückwünsche!
Veranstalterhomepage mit Ergebnisse, weiteren Berichten und ein paar Fotos
Weitere Fotos gibt es hier
Alle Fotos stammen von Michael Frenz, dem Veranstalter des Laufes, mit freundlicher Genehmigung zur Verwendung.
Michael Irrgang, 25,2,2016