Laufgemeinschaft der Deutschen Ultramarathon-Vereinigung e.V.

Text: Sven Furrer, Bild: Frau von Sven, 24.11.2021

Was bleibt mir wohl vom letzten Wochenende ganz besonders in Erinnerung? Vielleicht starte ich einfach mal in chronologischer Reihenfolge: Samstagabend gegen 18 Uhr mache ich mich im beschaulichen Heiderscheid in Luxemburg auf die Suche nach dem dortigen „Sport-a Kulturzenter“, denn dort darf ich meine Startunterlagen für den am nächsten Morgen stattfindenden Traillauf Uewersauer abholen. Nach kurzer Irrfahrt durch das Dorf finde ich die bereits perfekt für die Veranstaltung hergerichtete Turnhalle. Ein orangenes Armbändchen bestätigt meinen negativen Coronatest für den nächsten Tag und 5 Minuten später verlasse ich Heiderscheid wieder mit der Startnummer 72 in Richtung Hotel. Am Sonntag klingelt der Wecker um 06:30h. Schnell den Wetterbericht überflogen und mit einer Schüssel Haferflocken gestärkt. Der Bericht verheißt so richtig schmuddeliges Herbstwetter. Temperaturen um die 4 Grad und dauerhafter Nieselregen. Gut, dass ich mit genau diesen Bedingungen gerechnet und nicht auf Schönwetter gehofft hatte. Dünne Handschuhe, Mütze, lange Laufhose, Goretex-Schuhe und die ganze restliche Ausrüstung hatte ich bereits am Vorabend zurecht gelegt.

Meine Frau kutschiert mich pünktlich nach Heiderscheid, wo ich mir kur nach 8 Uhr meine Salomon Speedcross GTX schnüren will. Der Start ist für 8:45h geplant. Und da passiert es plötzlich: Das Quicklace-Schnürsystem reisst völlig unerwartet. Mist. Im Kofferraum hatte ich 2 Paar Ersatzschuhe, mich aber aufgrund des schlechten Wetters für die Salomons entschieden. Nun dieses Malheur. Lange überlege ich, ob das lediglich angerissene Schnürsystem halten wird oder nicht. Es lässt mir keine Ruhe. Also wieder meine Frau angerufen und die Arme muss erneut losfahren und mir meine Ersatzschuhe bringen. Drei Dinge lerne ich daraus: 1) Kritische Ausrüstungsgegenstände immer redundant verfügbar haben. 2) Zu viel Hightech ist oftmals klassischen Lösungen (in diesem Fall normale Schnürsenkel, die hätte ich dort sogar nachkaufen können) unterlegen und 3) Flexibilität (klar wäre ich lieber in den Goretex-Schuhen gelaufen, aber die Ersatzschuhe taten es auch).

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Nach diesem kurzen Zwischenfall freute ich mich sehr, Christine Herzog am Start zu treffen, die ich vom LG Ultralauf Traillaufseminar kannte, und die mich im Vorfeld des Laufes davon überzeugt hatte, hier an den Start zu gehen. Schnell ein paar Bilder im Startbereich geschossen, sich alles Gute für den Lauf gewünscht und dann ging es auch schon pünktlich über die Startlinie.

In diesem Jahr wurde die ca. 52 km lange Runde entgegen der sonst vorherrschenden Richtung gegen den Uhrzeigersinn gelaufen, was sich als besondere Herausforderung darstellen sollte. Selbst die Cracks liefen im Schnitt 20 Minuten länger als die Vorjahre. Das Höhenprofil versprach für die erste Hälfte des Rennens eher ein paar Meter mehr Downhill, die es in der zweiten Hälfte wieder aufzuholen galt. Also wollte ich das Rennen durchaus etwas langsamer angehen, um Kräfte für das Ende zu sparen.

Nicht immer gehen Pläne auf bzw. halten wir uns strikt daran. So erging es mir auch hier kurz nach dem Start. Verführt durch den leichten Downhill und die lossprintende Meute passte ich mich dem flotten Tempo an und stürzte mich den ersten Hügel hinunter. Doch bereits am ersten Anstieg wich die anfängliche Euphorie und ich stieg bedächtig die ersten 150hm empor. Zahlreiche Läufer musste ich passieren lassen, doch ich behielt bewusst mein Tempo bei. Immer wieder visualisierte ich bereits jetzt was noch an Anstiegen kommen sollte. Und es sollte noch so einiges kommen. Zwar handelte es sich bei den Anstiegen nicht um besonders lange, dafür aber um durchaus steile Rampen, für die im Nachhinein auch Stöcke hilfreich gewesen wären. Zumal der feuchte Untergrund den Halt sowohl für die Anstiege aber auch besonders bei den teils technisch anspruchsvollen Downhillpassagen gehörig erschwerte. So kam es, dass die bzw. der ein oder andere sich schnell mal auf dem Hosenboden wiederfand. Das extrem wellige Profil zwang mich immer wieder zwischen Laufen und Gehen zu wechseln, hatte aber den großen Vorteil, dass man nie zu sehr auskühlte und in den Anstiegen schnell wieder „auf Temperatur“ kam. Somit spielte das kühle und nasse Wetter fast keinerlei Rolle. Auch wenn es an Sonnenschein mangelte, so entschädigten einen die wunderschönen Ausblicke über den Naturpark Oewersauer und die kleinen Singletrails entlang an Sure und Dirbech für die körperliche Anstrengung.

Ein weiteres Highlight stellten die bestens ausgestatteten Verpflegungsstationen ca. alle 8km dar. Stets gut gelaunte Helfer versorgten die Läuferschaft mit Orangen, Bananen, Keksen, Iso, Wasser, Cola, Tee, warmer Bouillon etc. Ambitionierte Läufer können hier sicher auf die Verpflegung verzichten und ohne Laufrucksack auf die Strecke gehen. Mittlerweile habe ich trotz längere Gehphasen bei den Anstiegen meinen Rhythmus gefunden und führe sogar den ein oder anderen Plausch mit William aus Wales. Wir unterhalten uns über meine Studienzeit in Swansea und darüber, daß er hier seinen längsten Lauf bisher absolvieren wird. Da er einiges jünger ist als ich, zeige ich ihm an, er möge gerne schneller laufen. Doch kurz darauf plagen ihn erste Krämpfe und meine Erfahrung siegt über seinen jugendlichen Leichtsinn.

Auf den letzten Kilometern habe ich dann noch einmal Begleitung von zwei erfahrenen Läuferinnen und es gelingt uns als Gruppe, ein recht gleichmäßiges und zügiges Tempo aufrecht zu halten. Es folgen noch zwei kräftezehrende Anstiege und dann nach 6 sehr kurzweiligen Stunden und 17 Minuten erreiche ich erschöpft aber glücklich das Ziel in Heiderscheid. 51 Kilometer und 1.659 Höhenmeter stehen auf der Uhr.

Und da mich meine Frau im Ziel bereits bestens mit Kaffee, Cola und Kuchen versorgt, sind die Anstrengungen schnell vergessen und es bleiben die schönen Erinnerungen an einen gelungenen Traillauf mitten im Herbst in Heiderscheid. Daumen hoch von meiner Seite für diese Veranstaltung. Im Nachgang vielleicht noch ganz interessant. Auch beim Uewersauer bestätigt sich, was dieses Jahr bei vielen Veranstaltungen zu beobachten war: Eine hohe Zahl an DNFs. Von 189 Startern erreichten nur 133 das Ziel. Umso zufriedener war ich mit meinem 84. Platz.